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Die Thies Familiengeschichte

Sebastian Thies ist studierter Schuhdesigner in der 6. Generation seit 1856. Er ist in München geboren, Vater von zwei Jungs und verheiratet mit der Modedesignerin Carmen Thies. Mit ihr zusammen führt er das Familienunternehmen K&T GmbH mit den Marken nat-2™ und thies ®.

Die Designs der beiden Brands heben sich vom Mainstream der zeitweise etwas angestaubten Schuhbranche deutlich ab. Ihr Ziel ist es, die Sneaker-, Schuh- und Fashion-Industrie in eine nachhaltigere Zukunft zu bringen und dabei stets progressive Produkte aus den feinsten und überraschendsten Materialien anzubieten.

Der mehrfach ausgezeichnete Schuh-Avantgardist Sebastian Thies produziert und entwirft Schuhe, die er sich damals als modebewusster Teenager von seinen bevorzugten Marken gewünscht hätte.

Sebastian Thies wird 1981 im Herzen von München geboren. Schon in seiner Kindheit hilft er im Familienunternehmen mit. Musterschuhe sortieren, alte Schuhkartons zerreißen, Unterlagen kopieren, auf dem Messestand Kunden begrüßen sind ein paar der „Freizeitvergnügen“. In den Schulferien führen die Geschäftsreisen seines Vaters Matthias Thies die Familie regelmäßig ins Ausland.

Bereits mit 10 darf Sebastian dann das erste Mal mit nach New York, L.A. und Las Vegas. Beeindruckt, von der dortigen Skate- und Graffiti Kultur, beginnt er mit Hilfe von Zeitschriften in die Welt der Mode einzutauchen. Er fängt akribisch an ausgefallene, limitierte Sneakermodelle zu sammeln. Mit Hilfe des jeweils örtlichen Telefonbuchs begibt er sich mit seiner Familie auf die Suche nach den begehrten Raritäten. Nicht selten landen sie in den entlegensten Ecken der Metropolen. Und nicht selten hat der erhoffte Streetstyle Store sich in der Zwischenzeit auch mal in einen Waschsalon verwandelt. Bis heute inspirieren Sebastian diese Schuhe und schmücken sein Büro.

Streetart, zeichnen und sprayen, Snowboarden, HipHop-hören, tiefsitzende Skatepants und sein 17. Lebensjahr in einer Gastfamilie in den USA, prägen Sebastians Lifestyle immens. Nach seiner Heimkehr steht bald fest, dass der weitere Weg ihn direkt nach dem Abitur in die Modebranche führen soll. Doch ein Einstieg in den Familienbetrieb, wo sein Vater und dessen Schwester Ulrike erfolgreich konsumorientierte Schuhe vertreiben, kann er sich nicht vorstellen. Als er 2001 sein duales Studium in Fashion-Business-Management an der LTD in Nagold antritt, wählt er daher als Partnerunternehmen den Filialisten Klauser / Salamander. Hier will er den Markt von innen kennenlernen und ihn mehr aus der Perspektive des Einzelhandels sehen, als aus der, der Industrie dahinter.

Noch bevor er seinen Schuh-Betriebswirt BTE in der Tasche hat, verletzt Sebastian sein Knie beim Snowboarden schwer. Er wird bis auf weiteres krankgeschrieben, da es nach der Operation Komplikationen gibt. Körperlich stark eingeschränkt, aber geladen mit Tatendrang, will er sein Studium unbedingt wie geplant durchziehen. Da er aber nicht versicherbar ist, kann ein fremdes Unternehmen dieses Risiko nicht eingehen. Die Familie beschließt, dass er den betrieblichen Teil des Studiums in der eigenen Firma absolvieren kann. Nach seinem Abschluss 2003 steigt er trotz großer Zweifel und ausbaufähiger Leidenschaft für die firmeneigenen Produkte voll mit in das Unternehmen ein.

Schon von Anfang an gewährt Matthias seinem Sohn Freiheiten, die er nirgendwo anders gehabt hätte. Er schickt ihn zu den Fabriken in Spanien, Italien und Asien, nimmt ihn mit auf Materialmessen und traut ihm schon bald zu, größere Entscheidungen eigenständig zu treffen. Dies führt auch zu der ein oder anderen Überraschung, wie z.B. einem Container selbst entworfener Designerbrillen, statt Schuhen.

Eines Tages, es schreibt das Jahr 2007, ziehen Matthias und Sebastian mal wieder über eine Messe und treffen einen Schuhproduzenten. Bei einem anschließenden Dinner entwickeln sie gemeinsam eine Vision und Idee. Ein paar Monate später entsteht der Prototyp für den weltweit ersten 2 in 1 Schuh. Es ist ein Sneaker, um dessen Sohle ein patentierter, selbst entwickelter Reißverschluss führt. Mit diesem kann man dann entweder das Oberteil austauschen oder es komplett abnehmen und ihn als Sneaker-Sandale tragen. Für Menschen, die viel reisen ideal, denn man hat mit nur einer Sohle und verschiedenen Oberteilen immer den passenden Schuh dabei.

Schnell beschließen Sebastian und Matthias für dieses außergewöhnliche Produkt die Marke nat-2™ ins Leben zu rufen, um den 2 in 1 Schuh weiter zu entwickeln und auf den Markt zu bringen. Noch im selben Jahr wird nat-2™ mit dem Innovation & Design Award in der Schweiz ausgezeichnet. 2009 folgt der erste 4 in 1 Sneaker und damit der IspoBrandnew Award, der Red Dot Design Award und die Nominierung für den Designpreis der Republik Deutschland. 2010 ernennt das Design Museum London den 2 in 1 Schuh sogar zu den “50 Schuhen, die die Welt verändert haben”.

Da es sich bei den beiden Schuhmodellen um Monoprodukte handelt, von denen die Firma nicht dauerhaft leben kann, stehen Sebastian und sein Vater vor einem Scheideweg. Sollen sie das Projekt nach so kurzer Zeit wieder einstellen? Oder sollen sie „all in“ gehen und eine komplette Kollektion mit innovativen und nachhaltigen Schuhen entwickeln?

Die Krisenjahre nach 2008 lassen auch die K&T GmbH nicht unberührt und so muss das Unternehmen in einem Jahr 60 Prozent Umsatzrückgang hinnehmen. Wenn Sebastian und Matthias nicht so flexibel, bodenständig und ideenreich wären, hätte es das Aus für den Familienbetrieb bedeutet.

Sebastian muss sich immer mehr in die täglichen Geschäfte hineinfuchsen und lernen, dass man nicht nur coole Sneaker entwickeln kann, um zu bestehen. Viele deutsche Mitstreiter in der Schuhbranche gehen in der Zeit unter und viele Projekte sollen scheitern. Doch Sebastian ist gut gewappnet, denn auch sein Vater hatte in den vorangehenden Jahrzehnten viel gelernt und zuweilen Lehrgeld bezahlt. Das Key Learning war, dass mehrere Standbeine unabdingbar seien, um Sicherheit, aber auch größtmögliche Freiheit zu haben:

Matthias gründet 1984 mit seiner Schwester Ulrike Kotjan (geborene Thies) die K&T (Kotjan & Thies) GmbH in München. Schon von Anfang an stehen auch bei den Geschwistern Experimente mit innovativen Schuhen hoch im Kurs. So bringen sie z.B. in den 90er mit der eigenen Marke Clear ® den weltweit ersten industriell gefertigten, voll kompostierbaren Schuh auf den Markt. Doch wie mit vielen Produkten, sind sie weit vor ihrer Zeit: niemand interessiert sich für Nachhaltigkeit in der Mode! Auch der Status Quo der technischen Möglichkeiten und die für damalige Verhältnisse hohen Preise führen zu einer Einstellung des Projekts nach drei Jahren.

Parallel bauen sie ein sehr erfolgreiches Geschäft mit der Produktion im Private-Label Bereich auf. Hier zählen noch heute internationale Marken und Händler zu den Kunden. Später kommen Lizenzgeschäfte mit Marken wie MCM, Biene Maja, Transformers und Gabor hinzu. Dieses Kerngeschäft finanziert weiterhin die Produkt- und Marken-Experimente und sorgt für das Überleben der Familie Thies in der Modebranche des 21. Jahrhunderts.

In dieser schwierigen Zeit um 2010 erkennt Ulrike, dass ihr Neffe mehr über seine DNA erfahren muss, um das Schaffen und Erreichte der vorangegangenen Generationen wirklich zu verstehen. Sie macht sich daran, das Tagebuch ihrer Mutter Ingeborg Thies (geborene Fischer) zu digitalisieren und die spannende Familiengeschichte mit alten Fotos zum Leben zu erwecken. Es wird ein Weihnachtsgeschenk der besonderen Art für Sebastian und seine jüngere Schwester Laura.

Es schreibt das Jahr 1941. Wir befinden uns in dem kleinen Städtchen Pegau bei Leipzig. Die „Pegauer Filzwaarenfabrik“ der Familie Fischer ist eingenommen. Die Männer der Familie werden einberufen. Herbert Fischer bittet seine 17-jährige Tochter Ingeborg von der Kunsthandwerkschule in Leipzig heim zu kehren, um sich mit um den Betrieb zu kümmern.

In den kommenden Jahren kämpft Ingeborg mit dem Betriebsleiter gegen die Schließung der Firma. Schnell muss sie lernen viel Verantwortung zu übernehmen, denn sie tritt in sehr große Fußstapfen. Die Filzfabrik wurde 1856 von ihrem Urgroßvater Ferdinand Fischer gegründet und war bis zum 2. Weltkrieg mit über 1.200 Angestellten und einem eigenen Eisenbahnanschluss der wichtigste Arbeitgeber der Stadt.

Nun dient das Gelände zwangsweise als Unterkunft für über hundert französische, englische, russische und ukrainische Kriegsgefangene. Filz gilt als militärischer Werkstoff und so werden mit dem Material nicht mehr die beliebten Filzhausschuhe hergestellt, sondern Produkte der Armee. Um die Verpflegung Aller zu gewährleisten, werden eigene Tiere angeschafft und Obst und Gemüse wird eigens in jedem Winkel des Fabrikgeländes angebaut. Bis ihr kranker Vater 1944 heim geschickt wird, arbeitet Ingeborg tagsüber im Betrieb und hilft abends bei der Ernte und in der Küche.

Als 1945 die Russen schließlich die Kontrolle in der Region übernehmen, ist es wieder Ingeborg, die die Geschäfte am Laufen halten soll. Mit dem einzigen Auto, einer Nähmaschine und Material aus der Schuhfabrik schickt der Vater sie in den Westen. Bei einem langjährigen Lieferanten findet sie Schutz und beginnt handgefertigte Lederwaren zu verkaufen. Regelmäßig reist die junge Frau unerlaubterweise mit ihrem russischen und amerikanischen Pass über die Grenze, um Zuhause nach dem Rechten zu sehen.

Doch am 30.06.1946 verliert die Familie Fischer, wie viele andere Unternehmen Alles. Per Volksentscheid wird das gesamte Gelände mit Fabrik und Villa entschädigungslos enteignet. Trotz aller Bemühungen, ist nichts von dem Eigentum zu retten. Der Vater und die beiden Brüder von Ingeborg kommen in Gefangenschaft.

Im Frühjahr 1947 zieht Ingeborg dann mit dem letzten Strumpfkarton mit 4 Paar handgefertigten Babyschuhen für immer gen Westen. Sie besucht alte Geschäftspartner und Lieferanten bis sie eines Tages nach Schneverdingen in der Lüneburger Heide gelangt. Sie nimmt Kontakt mit dem Bürgermeister auf und bekommt die Möglichkeit eine Baracke für 800 Reichsmark zu kaufen. Ingeborg will die Herstellung von Hausschuhen wieder neu aufbauen.

Noch im selben Jahr zieht ihr Freund Walter Thies zu ihr und hilft tatkräftig mit dem Umbau der Baracke. Das Geschäft wächst schnell. Als die Fischer Männer aus Gefangenschaft zu ihnen kommen, reicht der Platz bald nicht mehr aus. Bereits 1949 beschließt die Familie, sich geschäftlich zu trennen. So ziehen die Brüder mit der traditionellen Hausschuhherstellung von Ferdinand Fischer – vormals Pegauer Filzwarenfabrik in das nahegelegen Industriegebiet. Ingeborg und Walter gründen neu unter dem Namen Thies-Fischer KG und fangen an, moderne, innovative Schuhe mit der Marke Thies der i-punkt ® zu produzieren.

Das Unternehmen wächst rasant bis Ingeborg wieder drei eigene Fabriken mit 600 Angestellten unter sich hat. Es ist nicht selbstverständlich zu der damaligen Zeit als Frau ein Unternehmen zu führen und so ist Ingeborg auch früh Mitglied des Verbandes der Unternehmerinnen. Doch als in den 70er Jahren die ersten günstigeren Schuhe zunächst aus Südeuropa und dann aus Asien importiert werden, muss sie sich genau so schnell wieder verkleinern. 1975 muss sich ihre Tochter Ulrike Thies vor die letzten 100 Arbeiter stellen und ihnen mitteilen, dass der Betrieb schließt. Ingeborg selber bringt es nicht übers Herz. Kurze Zeit später versucht sie noch ein letztes Mal das verlorene Gelände in Pegau zurückzubekommen. Dieses Mal muss ihr Sohn Matthias mit nur 21 die Bankverhandlungen führen. Doch als auch das scheitert, schließen sie das Kapitel Filzwarenfabrik und die eigene Schuhherstellung für immer.

Die Familiengeschichte im Detail zu lesen führt bei Sebastian und seine Schwester zu großem Staunen. Bis dato kannten sie die Einzelheiten zur Firmengeschichte und der Pegauer Filzwarenfabrik nicht. Sie wussten auch nicht, dass die Familie zu den ersten und größten industriellen deutschen Schuhherstellern mit eigener Fabrik zählte und dass sie nicht nur einmal Alles verloren hatten.

Im Dezember desselben Jahres begeben sich die Geschwister nach Pegau, um sich ein eigenes Bild von dem zu machen, was sich vor vielen Jahren im Familienbesitz befunden hatte. Was sie dort erleben ist eine eigene Geschichte. Was hier aber erwähnt werden soll, ist, dass es ein neues Feuer in Sebastian erweckt hat.

Umso mehr er in seine Familiengeschichte eintaucht, umso mehr begeistert es ihn, was unter anderem seine ‚Heideoma‘ Ingeborg damals geleistet hatte. Er holt alte Regale und Leisten aus dem Lager in Schneverdingen und sucht bis heute weltweit nach Gegenständen und Dokumenten, die mit dem Unternehmen zu tun haben. Für ihn steht fest, dass diese einmalige Industrie- und Familien-Geschichte nie wieder in Vergessenheit geraten darf.

Durch dieses Wissen gestärkt, ist Sebastian überzeugt, dass er die Tradition von modernen, innovativen Schuhen weiterführen muss, komme was wolle! Hoch motiviert begibt er sich mit seiner Partnerin Carmen auf die Suche nach unkonventionellen, nachhaltigen Stoffen und Materialien, mit denen er, die innovativsten Sneaker seiner Zeit produziert. Jedes Jahr bringt er mehrere Styles in streng limitierter Auflage auf den Markt. Auch Nachhaltigkeit spielt dabei eine immer größere Rolle.

Mit seinem Herzensprojekt nat-2™ ist auch er weit vor seiner Zeit. Weltweit ist er einer der ersten Schuhdesigner, der z.B. mit Holz, Zunderschwamm, Naturstein, Kaffee, Moos, oder Rosen experimentiert. Sebastian provoziert auch, oft in Zusammenarbeit mit anderen Künstlern. Sie stellen Sneaker aus Ochsenblut her, einem ehemaligen Industriewerkstoff, der heutzutage einfach wegschüttet wird, oder aus Milch, die täglich überproduziert wird. Nicht selten wird nat-2™ von kleinen und großen Playern der Sneakerbranche kopiert, doch die geleistete Pionierarbeit bleibt für den Endverbraucher oft im Verborgenen.

So wird Sebastian 2014 vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie zum Kreativpiloten ernannt, und die K&T GmbH wird als eine der 32 kreativsten Firmen Deutschlands ausgezeichnet. 2017 wird der junge Designer von dem Ministerium sogar zum Fellow berufen. Sebastian ist sich sicher, dass endlich wieder Erfolge wie in der Vergangenheit auf ihn und seine Familie zukommen.

Die Freude währt nicht lange als im selben Jahr der größte Partner urplötzlich den Lizenzvertrag für Hausschuhe nicht verlängert. Das Aus steht erneut vor der Tür des Familienbetriebs. Carmen und Sebastian sind überrumpelt.

Doch aufgeben? Niemals. Der innere Widerstand wächst und Sebastian erinnert sich an seine Heideoma. Er beschließt kurzerhand die Marke Thies der i-Punkt ® aus dem Dornröschenschlaf zu holen. Dieses Mal wird sie unter dem Namen thies ® zum Leben erweckt und der i-punkt wird von dem neue Markenicon Eichhörnchen geklaut. Das Kernprodukt, wie kann es anders sein, ist ein Filzhausschuh. Da seit der ersten Produktion in Pegau aber über 150 Jahre vergangen sind, wird natürlich nicht nur mit traditionellem Filz produziert. Das neue Hauptmaterial fühlt sich ähnlich an und hat die gleichen Eigenschaften. Doch heute wird es entsprechend dem Zeitgeist, vegan, fair und aus recycelten PET Flaschen gefertigt. Die Hausschuhe sind unisex und zeitlos, erstrahlen in allen Farben des Regenbogens und garantieren Wohlgefühl. Ganz nach dem Motto ‚Schuster bleib bei deinem Leisten’ wird dieses Modell schnell zum Bestseller der Firma und sichert erstmal wieder die Zukunft der 6. Generation Schuhdesigner der Familie Fischer-Thies.

Es folgen viele Innovationen und eine komplett ökologische Schuh- und Sneaker-Linie. Die Produkte aus dem Hause Thies können bei internationalen Tophändlern wie Rinascente, Galeries Lafayette, Manufactum oder den Live Lab Studios erworben werden.